MICHELANGELO: DIE BRONZEBÜSTE VON DANIELE DA VOLTERRA
Ausstellungsprojekt kuratiert von Cecilie Hollberg
Michelangelo: die Bronzebüste von Daniele da Volterra, kuratiert von Cecilie Hollberg, ist eine einzigartige und ungewöhnliche Studienausstellung, die von offenen Fragen ausgeht, um mit innovativen Methoden neue Lösungen zu finden. Es ist das erste Mal, dass diese neun ähnlichen, zum Teil fast identischen Büsten mit den Gesichtszügen von Michelangelo Buonarroti (1475 – 1564) zusammengebracht werden. Genau das Abbild, das wir alle mit dem unvergleichlichen Renaissance-Künstler in Verbindung bringen.
Daniele Ricciarelli, genannt da Volterra (1509 – 1566), war ein Schüler von Michelangelo, ein enger Freund und kannte ihn daher sehr gut. Zudem wissen wir, dass er am 18. Februar 1564 beim Tod des Meisters im römischen Haus Macel de’ Corvi, das heute nicht mehr existiert, anwesend war.
Lionardo Buonarroti, Michelangelos Neffe, vermietete nach dessen Tod nicht nur das Haus an Daniele da Volterra, sondern beauftragte ihn auch mit der Anfertigung zweier Bronzeporträts seines Onkels. Und es wird für gewiss gehalten, dass Ricciarelli einen Abdruck des Gesichts des verstorbenen Meisters nahm, gemäß einem damaligen Brauch. Bereits zwei Tage nach dem Tod ist eine Zahlung dokumentiert, „um zwei Bronzeköpfe von Michelangelo Buonarroti gießen zu lassen, um Wachs für die Form herzustellen“.
Zum Auftrag für die Anfertigung der zwei Büsten kam eine dritte Anfrage seines Freundes und Antiquars Diomede Leoni hinzu. Diese Aufträge überschnitten sich mit anderen Verpflichtungen, die Daniele da Volterra in den vorangegangenen Jahren eingegangen war, darunter ein Reiterstandbild für Heinrich II., König von Frankreich, das von seiner inzwischen verwitweten Frau Katharina de’ Medici im Jahr 1560 gewollt wurde. Die Königin bat Michelangelo, Pferd und Reiter zu gestalten, aber der Buonarroti lehnte aufgrund seines fortgeschrittenen Alters ab und empfahl stattdessen seinen Freund Ricciarelli. Das Projekt erwies sich als kompliziert, und Daniele hatte keine Erfahrung mit dem Bronzeguss, vor allem nicht für ein dermaßen großes Werk. Ricciarelli hatte geplant, es in zwei Jahren fertig zu stellen, aber die Arbeit schritt aus verschiedenen Gründen sehr langsam voran. Der erste Guss, der auch die Büsten von Michelangelo umfasste und auf 1565 datiert werden kann, war nicht erfolgreich und musste wiederholt werden. Überlastet durch dieses Werk und gesundheitlich angeschlagen, starb Daniele da Volterra am 4. April 1566. Neben dem Reiterstandbild gelang es ihm auch nicht, die Bronzebüsten von Michelangelo fertigzustellen. Das Inventar, datiert auf den Tag nach seinem Tod, listet in seinem Haus in Macel de’ Corvi unter verschiedenen Kunstgegenständen „zwei Köpfe aus Metall mit der Brust von Michelangelo auf… Außerdem einen Kopf aus Bronze von Michelangelo mit der Büste“. Aber welche sind diese drei Büsten? Die Ausstellung präsentiert neun Büsten, die sich auf Grund unterschiedlicher und widersprüchlicher Theorien von Generationen von Gelehrten die Vorherrschaft bestreiten. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Versuche unternommen wurden, um die Herkunft der zahlreichen existierenden Büsten zu identifizieren und Familien oder Genealogien zu erstellen, gibt es bis heute keine überzeugende Antwort. Diese neun Köpfe sind noch nie so analysiert worden, dass ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte. Deshalb wurden mehrere Untersuchungen, wie nie zuvor durchgeführt.
Wir nutzen daher die Gelegenheit dieser sehr wichtigen Ausstellung, die endlich alle Bronzen zusammenführt, um einen direkten Vergleich der Büsten anzubieten und ihre Daten, Dokumente und die dazugehörige Bibliografie zu überprüfen.
Für dieses Ausstellungsprojekt wurden an allen Büsten verschiedene nicht invasive wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die nie zuvor an diesen Werken vorgenommen worden sind, wie z. B. die geologischen Analysen der Gusserden oder nukleare Analysen (XRF), um die Natur und Zusammensetzung der Metalllegierungen festzulegen. Außerdem wurde jeder Kopf digitalisiert und im Maßstab 1:1 in Harz 3D gedruckt.
Die Büsten wurden in ihren wichtigsten Punkten und Übereinstimmungen digital „kartiert“, übereinandergelegt und verglichen. Dies war eine einzigartige Forschungsarbeit, die zum ersten Mal digitales Fachwissen mit akademischer Strenge bei der Erforschung der Originalköpfe in der Studie von Daniele da Volterra und der „Genealogie“ der von ihnen abgeleiteten Varianten vereint.
Um den Vergleich zu erleichtern, sowohl für Experten als auch durch maschinelles Lernen, wurden die Büsten für die Präsentation entlang einer imaginären Linie ausgerichtet, die durch die Arbeit an 3D-Drucken gesucht und nachgezeichnet wurde.
Im Laufe der Ausstellung erwarten wir schließlich ein innovatives Ergebnis, das die neuen Erkenntnisse und weiter zu erforschenden Themen, die in Archiven, Labors und mit digitalen Technologien durchgeführten Forschungen und das außergewöhnliche Wissen unerwarteter Fachleute wie Physiker, Geologen, Tier-Paläontologen mit Spezialisierung auf geometrische Morphometrie oder Ingenieur- und Mathematikwissenschaften, Handwerk und digitale Architektur zusammenbringt.
Das Interesse für das Thema begann mit der Neugestaltung und Restaurierung der Bronzebüste in der Galleria dell’Accademia di Firenze im Jahr 2017, die den Ausgangspunkt eines epochalen Projekts über den großen Michelangelo Buonarroti und seinen Schüler Daniele da Volterra darstellte.
Technische Informationen:
Michelangelo: die Bronzebüste von Daniele da Volterra in der Galleria dell’Accademia di Firenze
vom 15. Februar bis 19. Juni 2022
Kuratorin: Cecilie Hollberg, Direktorin der Galleria dell’Accademia di Firenze
Die Leihgeber sind Casa Buonarroti, die Musei del Bargello, die Musei Comunali di Rimini, die Civiche Raccolte d’Arte Applicata – Castello Sforzesco – Mailand, die Musei Capitolini di Roma, das Ashmolean Museum Oxford, das Musée du Louvre und das Musée Jacquemart André, beide in Paris.
Die Ausstellung hat für den 21. Februar 2022 einen großen Studientag mit folgendem Programm vorgesehen:
9.30 – 10.00 Uhr
Michelangelo: Die Bronzebüste von Daniele da Volterra, Projekt und Ausstellung
Cecilie Hollberg – Direktorin der Galleria dell’Accademia di Firenze und Kuratorin der Ausstellung
10.00 – 10.15 Uhr
Untersuchung der Bronzeporträts von Michelangelo Buonarroti mittels tragbarer Röntgenfluoreszenz
Stefano Ridolfi – Ars Mensurae, Rom
10.15 – 10.30 Uhr
Mineralogische Untersuchung der in Michelangelos Bronzeporträts gefundenen Gusserden
Giancarlo Della Ventura, Antonella Privitera, Armida Sodo – Universität von Roma Tre
10.30 – 10.45 Uhr
Monitoring difference – Online- und Offline-Analyse
Adam Lowe – Gründer der Factum Foundation for Digital Technology in Conservation
10.45 – 11.00 Uhr
Geometrische Morphometrie angewandt auf das kulturelle Erbe: der Fall des Bronzebildnisses von Michelangelo von Daniele da Volterra
Voula Natsi – Factum Foundation for Digital Technology in Conservation
Paolo Piras – Paläontologe für Wirbeltiere
Valerio Varano – Universität von Roma Tre
11.45 – 12.05 Uhr
Copper and tin: proposals for the bronze alloy used for the portrait heads of Michelangelo
Antonia Boström – Victoria & Albert Museum
12.05 – 12.25 Uhr
Daniele da Volterra und Leonardo Buonarroti, Michelangelos Neffe und Erbe
Alessandro Cecchi – Stiftung Casa Buonarroti
12.25 – 12.45 Uhr
Die Büste von Michelangelo in den Kapitolinischen Museen: Welches Modell?
Claudio Parisi Presicce – Direktion der Archäologischen und Historisch-künstlerischen Museen der Oberaufsichtsbehörde des Kapitolinischen Kulturerbes
12.45 – 13.05 Uhr
Βίοι παράλληλοι. Die Bronzeporträts der Medici von Michelangelo (Galleria dell’Accademia – Museo Nazionale del Bargello)
Dimitrios Zikos – Gelehrter der Renaissance und der Bildhauerei des Barocks
14.30 – 14.50 Uhr
Beobachtungen zu den metallurgischen Verfahren, die bei Michelangelos Bronzeporträts verwendet wurden
Mario Micheli – Universität von Roma Tre
14.50 – 15.10 Uhr
Die Büste der Galleria dell’Accademia di Firenze: Konservierung und Restaurierung
Eleonora Pucci – Galleria dell’Accademia di Firenze
15.10 – 15.30 Uhr
Charles Fortnum und die „Wiederentdeckung“ der Porträtbüsten von Michelangelo im 19. Jahrhundert
Jeremy Warren – Ashmolean Museum
15.30 – 15.45 Uhr
Archivarische Einblicke in Diomede Leoni und sein Erbe
Veronica Vestri – Archivarin und Paläografin
Fragen und Kommentare des Publikums 15.45 – 16.00 Uhr
Schlussfolgerungen
Salvatore Settis – Scuola Normale Superiore
Besuch der Ausstellung bis 17:30 Uhr möglich.
Es werden zwei reich bebilderte Bände veröffentlicht, der erste ein zweisprachiger Führer für die Öffentlichkeit und der zweite ein Katalog, der die Ausstellung und den Studientag dokumentiert.
Der zweisprachige Führer wird von Mandragora herausgegeben
Abmessungen 21 × 27 cm
Seiten 36
Broschiert mit Klappen
Sprache Italienisch/Englisch
ISBN 978-88-7461-579-7
Erscheinungsjahr Februar 2022
Ausstellung
Vergangene
EXIBITION
2022-02-15
2022-07-31